In dem romantischen Gedicht ,,Der Spinnerin Nachtlied“, 1802 von Clemens Brentano geschrieben, geht es um die immer wiederkehrende Sehnsucht nach Vergangenem. Das Gedicht hat sechs Strophen á vier Versen. Das Metrum ist ein drei-hebiger Jambus mit abwechselnd männlicher und weiblicher Kadenz. Das Reimschema ist in allen Strophen ein umschließender Reim.
Zu Beginn ist zu sagen, dass die ungeraden (1, 3 und 5) und die geraden Strophen (2, 4 und 6) inhaltlich stark zusammenhängen (viele Wiederholungen). Die ungeraden Strophen sind im Präteritum und geben einen Einblick in das vergangene Leben der Spinnerin, die damals eine Liebesbeziehung hatte. Die geraden Strophen wurden im Präsens verfasst und beschreiben die momentane Lebenslage des lyrischen Ichs.
In der ersten Strophe geht es um die vergangene Liebesbeziehung des weiblichen lyrischen Ichs („Spinnerin“, Überschrift). Die „Nachtigall“ steht hier als Symbol für die damals einst erfüllte Liebe (V.2), die sehr glücklich gewesen ist(„süßer Schall“, Personifikation, V.3). Allerdings ist diese Zeit vorüber und das lyrische ich ist sehr traurig.
In der zweiten Strophe wird die gegenwärtige Situation beschrieben und die Gefühlslage der Vergangenheit aufgegriffen. Obwohl es die Spinnerin schmerzt, dass die schöne Vergangenheit vorbei ist, sagt sie, dass sie nicht weinen kann(vgl. V.5). Dadurch ist das lyrische ich nicht in der Lage ihre Gefühle zu verarbeiten, sie kommen immer wieder. Verdeutlicht wird dieser immer wiederkehrende Schmerz einmal durch den Vorgang des Spinnens („und Spinne so allein“, V.6) und einmal durch das Symbol des Mondes (V.8). Das spinnen ist ein immer gleichbleibender Vorgang, man dreht sich im Kreis. Der Mondzyklus ebenfalls. Auch ist der „Mond“ als ein Hinweis auf die Sehnsucht zu verstehen.
Die dritte Strophe ist wieder ein Bezug auf die Vergangenheit. Das Symbol der „Nachtigall“ wird wiederholt, aber in dieser Strophe betont das lyrische Ich, dass die gemeinsame Zeit schön gewesen ist (vgl. V.3), aber jetzt der Gesang der Nachtigall nur noch eine Mahnung beziehungsweise eine Erinnerung an das vergangene ist („Nun mahnet mich ihr Schall (…)“, V.11). Im letzten Vers der Strophe wird der verlorene Geliebte zum ersten Mal mit „du“ angesprochen(V.12). Man erhält hier die Information, dass dieser weg ist, aber es wird nicht klar ob er sie verlassen hat und „gefahren“ ist oder ob er im übertragenen Sinne gestorben ist.
Die vierte Strophe ist wieder ein Bezug auf die Gegenwart. Hier wird die Verbindung zwischen der zweiten und vierten Strophe deutlich, da das Motiv der immer wieder kehrenden Sehnsucht erneut erwähnt wird („Mond“, V.13.). „Sooft der Mond“ aufkommt, also jede Nacht, ist die Spinnerin bei ihrem Geliebten. Obwohl das lyrische Ich ein „klar(es) und rein(es)“ Herz hat und Gott sie vereinte wurde ihres gebrochen. Das „Herz“ kann ebenfalls als ein typisches Symbol der Romantik gesehen werden (V.15). Es spielt auf tiefe und romantische Gefühle an, zumal es auch heute noch ein typisches Symbol für die Liebe ist.
„Seit du von mir gefahren““V.17) ist quasi eine Wiederholung vom letzten Vers der dritten Strophe(„Dass du von mir gefahren“). Hier wird wieder der Verlust oder die Trennung vom Geliebten betont. Lediglich der erste Vers und der letzte Vers der fünften Strophe wurden vertauscht, ansonsten ist sie vom inhaltlichen und dem Aufbau her gleich mit der dritten Strophe. (Die Spinnerin sehnt sich nach ihrem Geliebten, wobei sie von dem Gesang der Nachtigall immer wieder an ihn erinnert wird („Singt stets die Nachtigall“, V.18)).
Die sechste Strophe beginnt ebenfalls mit einer Wiederholung („Gott wolle uns vereinen“, V.21).Das lyrische Ich ist „alleine“, es wird nochmals deutlich, dass die Spinnerin nicht über ihren Schmerz/ihre Sehnsucht hinweg kommen kann. Wie in Vers 6 wird auch hier die Metapher „Hier spinn ich“ aufgegriffen(V.22). Das lyrische ich wird so lange spinne wie der Faden ausreicht, was sowohl bedeuten kann bis die Spule leer ist oder im übertragenen Sinne bis der Lebensfaden zu Ende ist und sie stirbt. Währenddessen wir sich das Spinnrad immer weiter drehen und der Schmerz immer wieder kommen.
Das Gedicht hat ein gleichmäßiges Metrum, was die Monotonie und die dadurch immer wieder kehrende Sehnsucht unterstützt. Die abwechselnd weiblich und männliche Kadenz weist auf eine ausgeglichene, ehemals harmonische Beziehung hin (Vergangenheit) an die das lyrische Ich immer noch festhält (Gegenwart). Die Strophen haben alle das gleiche Reimschema (abba, cddc, usw…). Die geraden Strophen sind mit den geraden verbunden, genauso die ungeraden. So hört zum Beispiel die erste Strophe mit dem Wort „waren“ auf (V.4), welches in der dritten wieder aufgegriffen wird („waren“, V.9). Alles ist eng miteinander verwoben und baut aufeinander auf. Dadurch scheint es logisch, dass der Schmerz der Spinnerin nicht aufhört.Die vielen Personalpronomen (z.B. „ich“, V.5, „du“, V.12, “wir“, V.20) betonen die Gefühlswelt des lyrischen Ichs im Bezug auf den Geliebten. In den ungeraden Strophen werden viele Worte mit dunklen Assonanzen verwendet (z.B. „sang“, V.1; „mahnet“, V.11). Diese unterstützen die Trauer und düstere Atmosphäre in dem Gedicht.
Insgesamt kann man sagen, dass dieses Gedicht Vergangenheit und Gegenwart stark verbindet und alles aufeinander aufbaut, so dass es schwer ist aus dem Kreis/Rad auszubrechen und den Schmerz zu verarbeiten.